Robert Blum zum Gedenken

Am 9. November jährt sich die Ermordung des bürgerlich-demokratischen Revolutionärs der 1848er Revolution zum 170. Male.

Einleitendes

Die 1848er Revolution ist so bekannt und doch so vergessen. Der Grund liegt wohl darin, dass diese scheiterte und zwar durch zweierlei Hauptursachen: 1. Die Großbourgeoisie suchte einen Ausgleich mit den Feudalherren (primär aus der Furcht vor der Arbeiterklasse, welche ihre Forderungen zu stellen begann); sie war somit als führende Klasse nicht mehr konsequent revolutionär gegen den Feudalismus. 2. Aufgrund der Niederschlagung durch die Konterrevolution. Deshalb wohl degradierte Walter Ulbricht diese Revolution und was damit zusammenhängt zur „halben Revolution“1; im Kontrast dazu ist es die Bourgeoisie, die diese Revolution deshalb schlechtredet, weil es eben eine Revolution gewesen ist. Zu Letzterem sei gesagt, dass dies der reaktionäre Standpunkt der Großbourgeoisie ist. Im Gegensatz dazu stellte der damalige Vorsitzende der LDPD Wilhelm Külz in seiner Rede zum damals 100. Jahrestag der 1848er Revolution fest: „Die Geschichte der Menschheit zeigt, daß entscheidende Fortschritte der Menschheitsentwicklung oft nicht im organischen Werden, sondern im revolutionären Sturmlauf erzielt worden sind […].“2 Es ist also bloß die Großbourgeoisie, welche die Revolutionen verteufelt, aus Angst vor der proletarischen Revolution; selbst Kleinbürger, die sich ehrlich Kenntnisse der Geschichte aneignen, erkennen die Notwendigkeit der Revolution an, wie sich hier zeigt. Zu Ersterem sagte Walter Ulbricht: „Das deutsche Bürgertum brachte nicht einmal den Mut auf, fortschrittliche bürgerliche Kräfte in die Regierung zu wählen.“3 Diese Einschätzung ist nicht richtig, auch wenn man sie als weitestgehend richtig bezeichnen kann.

Es gab nämlich auch wahrlich revolutionäre Männer wie Robert Blum.

Robert Blums revolutionäre Tätigkeit

Robert Blum, geboren am 10. November 1807, war erfüllt von Abscheu gegenüber dem Feudalismus und der Aristokratie und ein konsequenter bürgerlicher Demokrat und Revolutionär. Zur Reformation sagte er, dass diese sich „vom ersten Augenblick ihres Seins der weltlichen Tyrannei als Sklave übergeben“ habe und nannte den Königsgeburtstag „lange schale Brühe“4. Das ist Zeugnis seiner antiklerikalen und auch antifeudalen Einstellung, welche er schon lange vor der 1848er Revolution pflegte. Diese Ansichten zeigten sich natürlich auch an späterer Stelle, während der Revolution. Über die Soldaten, die man aus den Reihen der Werktätigen zum Militärdienst für die Feudalherren verpflichtete sagte Blum das hier: „Man zwingt ihn [den armen Handwerker und Bauer; L. M.] zu einem gedankenlosen Gehorsam und befiehlt ihm, keinem weiteren Gedanken Raum zu geben, als daß der Mensch zur Knechtschaft geboren und einem einzigen ´von Gottes Gnaden´ dienstbar sei. Man bleute es ihm ein, augenblicklichst untertänigst zu folgen, wenn ihm auch das Unsinnigste geboten werde.“5 Robert Blum schlug in der gleichen Rede vor, dass man das Militärsystem des Feudalismus durch die Volksbewaffnung ersetzt. Das war auch eine der Forderungen, die er in einem Aufruf mit programmatischem Charakter vom 3. März 1848 formulierte:

1. Geschworenengerichte, vor welchen jeder Mann öffentlich und mündlich von seinesgleichen gerichtet wird.

2. Preßfreiheit. Sicherheit auch des literarischen Eigentums und ganz besonders der Zeitungen vor den Eingriffen der Polizei. Keine andere Verurteilung wegen Preßvergehen als durch Geschworene.

3. Wirkliche Verantwortlichkeit der Minister. Rücktritt von der Mehrheit der 2. Kammer.

4. Sofortige Entlassung der dermaligen Minister, die allein durch ihre volksfeindliche Politik die jetzige Gefahr verursacht haben.

5. Wahlreform, also direkte Wahlen, unbeschränkte Wählbarkeit und Wahlberechtigung jedes Staatsbürgers. Das Recht friedlicher Vereinigung für alle Staatsbürger.

6. Allgemeine Volksbewaffnung.

7. Wirkliche völlige Glaubensfreiheit und gleiche bürgerliche Rechte für alle Glaubensparteien.

8. Einschränkung der übermäßig teuren Landesverwaltung und des unnützen Soldatenspiels und Verwendung des Ersparten zur Steuer der Verarmung und Aushilfe der Armen.

9. Bildung eines neuen, vom Volke gewählten deutschen Mittelpunktes zur Wahrung der deutschen Freiheit nach außen.6

Diese Punkte sind Ausdruck der konsequenten bürgerlich-demokratischen Überzeugung Robert Blums, für welche er zu jederzeit, bis zu seinem Tode in Wien, eintrat. Auf die Beteiligung am Wiener Aufstand, welche wohl der Höhepunkt der revolutionären Tätigkeit Robert Blums gewesen sein mag, komme ich nun zu sprechen.

Am 17. Oktober 1848 traf Robert Blum in Wien ein, welche er Parteifreunden gegenüber als „liebenswürdiges, bezauberndes, vom Scheitel bis zur Zehe revolutionäres Wien“7 bezeichnete. Was auf dem Spiel stand, war ihm von Anbeginn klar: „Siegt die Revolution hier, dann beginnt sie von neuem ihren Kreislauf; erliegt sie, dann ist wenigstens für eine Zeitlang Kirchhofsruhe in Deutschland, wenn auch die Tyrannei keineswegs damit gesichert ist […]8 Die Studenten sah Robert Blum als die Hauptkraft der Revolution an9, aber schrieb auch sehr positiv über die Rolle der Arbeiterklasse in den Kämpfen: „Besonders die Arbeiter sind bewundernswert, für die Bourgeoisie, die ihnen nie etwas gab oder gönnte, stehen sie bereit, in den Tod zu gehen.10 So harmonisch sich das auch anhören mag, es zeigte, dass die Führung der Revolution in bürgerlicher Hand lag und somit wankelmütig in der Kampfmoral war. Dennoch, Robert Blum war keiner der Schwankenden, sondern rief beharrlich zum Kampf gegen die Konterrevolution auf. So in seinem Aufruf zum 23. Oktober 1848, in welchem er auf die Frage „Was tut uns jetzt Not?“ die Antwort gab: „Tatkraft, entschlossenes Handeln, Kampf!11 Auch am 24. Oktober 1848 rief Robert Blum zum Widerstand auf, in diesem Falle gegen Windischgrätz, der die Kapitulation Wiens forderte und den am Aufstand Beteiligten mit der „ganzen strenge der Militärgesetze“ drohte.12 An den Kämpfen nahm Robert Blum auch persönlich teil, als Kommandeur der ersten Kompanie des Elitekorps. Noch am 28. Oktober 1848 wurde Robert Blum durch einen Streifschuss in der Herzgegend verletzt, als er mit seinen Truppen die Nußdorfer Linie gegen Windischgrätz´ Armee verteidigte. Trotzdem siegte letztendlich die Konterrevolution, welche am 1. November 1848 Wien vollständig besetzte. Bereits am 30. Oktober 1848 sah Robert Blum, dass sich das Ende des Aufstandes abzeichnete und sprach seiner Frau gegenüber vom „schmachvollsten Verrat, den jemals die Weltgeschichte gesehen hat“13, weil Wien kapitulierte anstatt erbitterten Widerstand zu leisten. Nach der Niederschlagung des Aufstandes gingen die Ereignisse schnell von statten und Robert Blum wurde am 4. November 1848 im Hotel „Stadt London“ mit Julius Fröbel zusammen verhaftet, was er dann am 6. November 1848 auch seiner Frau per Brief14 mitteilte. Am 8. November 1848 wurde Robert Blum trotz seiner formellen parlamentarischen Immunität standrechtlich zum Tode verurteilt, welches am 9. November 1848 um 6 Uhr auch vollstreckt worden ist. Kurz vorher, um 5 Uhr des selben Tages schrieb er in einem Brief: „Ich sterbe als Mann – es muß sein.“15

Nicht mal eine Woche nach seiner Ermordung durch die Konterrevolution fing die liberal-bürgerliche Presse im Gleichklang mit offen reaktionären Zeitungen an Robert Blum zu verleumden. Im Gegensatz dazu verteidigte die „Neue Rheinische Zeitung“, die Zeitung von Marx und Engels, in einem Artikel den bürgerlichen Revolutionär Blum. Man sagte über ihn unter anderem: […] er griff zu den Waffen und kämpfte an der Spitze der Mobilgarde bis zum letzten Augenblick und sank, die Brust von Kugeln zerrissen, ein Mann, auf den wir stolz sein können, dessen Name in den Herzen des Volkes mit der Erinnerung an den heroischen Freiheitskampf zu Wien fortleben wird.“16

Ein paar Lehren für heutzutage

Auch wenn der Charakter der Revolution sich von der heute notwendigen unterschiedet, nämlich die bürgerliche und proletarische, so gibt es doch ein paar universelle Dinge, die wir uns stets vor Augen halten sollten in unserem eigenen Tun und Handeln. Da wäre wohl ganz essentiell, dass man den Kampf für den Sozialismus niemals aufgeben darf, genauso wenig wie Robert Blum den Kampf für die bürgerliche Gesellschaft nicht aufgab. Eine klare Aufforderung den Kampf aufzugeben, machte seine Schwester, die ihm sagte: „Laß es sein, Du änderst doch nichts!“. Seine Antwort darauf war sichtlich verärgert, aber dennoch eine klare Stellungnahme: „Pfui, schäme Dich derselben. Es hätte nie ein Christentum u. eine Reformation u. keine Staatsrevolution u. überhaupt nichts Großes u. Gutes gegeben, wenn jeder stets gedacht hätte: ´Du änderst doch nichts!´ Glaubst Du etwa, es sei ein Spiel, dieser Kampf gegen die Übergriffe u. unrechte Stellung der Staatsgewalten, aus der man sich zurückzieht, wenn es keinen Spaß mehr macht? Oder glaubst Du, man beginne diesen Kampf leichtfertig u. leichtsinnig, ohne das Bewußtsein, daß die Staatsgewalten die furchtbare Waffe eines Gesetzes, welches sie meist allein u. für ihre Zwecke gemacht haben, gegen uns schwingen u. wir fast unbewehrt sind?“17. Dies ist wohl die klarste Parteinahme Robert Blums für die Sache der bürgerlichen Revolution, welche er in anderer Form bis zu seiner Ermordung immer wieder betonte. Robert Blums Schwester vertrat eine kapitulantenhafte Sichtweise, während Blum konsequent sich zum Kampfe gegen den Feudalismus bekannte. Auch heute, im Kampf um den Sozialismus, ist Kapitulantentum auch weiterhin eine Gefahr. Diese ist Ausdruck eines subjektiven Fatalismus, weil man sich wohl als Individuum machtlos sieht, besonders, wenn man bis dato lange Zeit für Scheinlösungen eingetreten ist (Reformismus, Liberalismus etc), und dies auf jeden verallgemeinert. Auch heute ist dies eines der ideologischen Hauptprobleme, die es zu bewältigen gilt. Solches Denken ist noch weit verbreitet und ein jeder kann dafür sicherlich aus dem eigenen Erfahrungsschatz einige Beispiele anführen.

Die Schlussfolgerungen daraus können nur sein, dass

1. man sich bewusst wird, dass es ohne Kampf gegen die bestehenden Verhältnisse nicht besser wird und dass somit aufgeben bloß bedeutet, direkt verloren zu haben, ohne den Versuch etwas zu verändern.

2. man sich unversöhnlich gegen jede Tendenz stellen muss, welche der Revolution schadet (Revisionismus, Fatalismus/Kapitulantentum, Opportunismus usw.), damit man nicht den Kampf aufgrund „neuer Erkenntnisse“ aufgibt, welche bloß spießbürgerliche „Weisheiten“ sind, welche objektiv falsch sind.

3. auch, wenn man selbst grade in der Motivation schwankt, sich stets bewusst ist, dass der Klassenkampf sich dennoch objektiv vollzieht, sei es auch nur einseitig von der Bourgeoisie. Es ist wie ein Ausspruch, den Mao Tsetung in einer seiner Reden zitierte: „Der Baum mag die Ruhe vorziehen, aber der Wind wird sich nicht legen.18

Machen wir dem Erbe unserer revolutionären Vorgänger alle Ehre und bringen wir die Geschichte der Menschheit wieder ein Kapitel vorwärts, indem wir den Kampf um den Sozialismus zum Siege führen!

1Vgl. „Lehren aus der Großen Sozialistischen Oktoberrevolution“ (7. November 1947) In: Walter Ulbricht „Zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung“, Bd. III Zusatzband, Dietz Verlag, Berlin 1971, S. 358.

2„Im Fortschritt ist die Zukunft“ (17./18. März 1948) In: Wilhelm Külz „Aus Reden und Aufsätzen“, Buchverlag Der Morgen, Berlin 1984, S. 149.

3„Lehren aus der Großen Sozialistischen Oktoberrevolution“ (7. November 1947) In: Walter Ulbricht „Zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung“, Bd. III Zusatzband, Dietz Verlag, Berlin 1971, S. 358.

4Vgl. „Brief an die Braut Eugenie Günther“ (14. Mai 1839) In: Robert Blum „Briefe und Dokumente“, Verlag Philipp Reclam jun., Leipzig 1981, S. 6.

5„Die Stellung der Soldaten in Deutschland“ (6. März 1848) In: Ebenda, S. 54.

6„Aufruf an die Freisinnigen Sachsens“ (3. März 1848) In: Ebenda, S. 51/52.

7Vgl. „Brief an die Parteifreunde in Frankfurt (Main)“ (17. Oktober 1848) In: Ebenda, S. 101.

8„Brief an die Frau“ (20. Oktober 1848) In: Ebenda, S. 108.

9Vgl. „Brief an einen Freund in Frankfurt (Main)“ (23. Oktober 1848) In: Ebenda, S. 110.

10„Brief an die Frau“ (20. Oktober 1848) In: Ebenda, S. 108.

11„Aufruf zum 23. Oktober 1848“ In: Ebenda, S. 117.

12Siehe: „Aufruf zum Widerstand gegen Windischgrätz“ (24. Oktober 1848) In: Ebenda, S. 119 ff.

13Vgl. „Brief an die Frau“ (30. Oktober 1848) In: Ebenda, S. 123/124.

14Siehe: „Brief an die Frau“ (6. November 1848) In: Ebenda, S. 125.

15„Brief an C. Cramer“ (9. November 1848) In: Ebenda, S. 125.

16„Die ´Neue Rheinische Zeitung´ verteidigt das Andenken Robert Blums“ (16. November 1848) In: Ebenda, S. 130.

17„Brief an die Schwester Margarete Selbach“ (23. November 1844) In: Ebenda, S. 30/31.

18„Seid aktive Förderer der Revolution“ (9. Oktober 1957) In: Mao Tsetung „Ausgewählte Werke“, Bd. V, Verlag für fremdsprachige Literatur, Peking 1978, S. 560.

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