#aufstehen – aber wofür und wohin?

übernommen von Arbeit-Zukunft

Nun ist sie da, die lange angekündigte Bewegung #aufstehen, obwohl sie offiziell erst am 4. September starten soll. Mehrere Zehntausend sollen bereits erklärt haben, dass sie mitmachen. Das scheint ein toller Anfang für eine linke Bewegung zu sein, an der sich auch SPDler und Grüne beteiligen.

Sarah Wagenknecht umreißt die Ziele dieser Bewegung: Um eine andere Politik in Deutschland machen zu können, braucht es andere Mehrheiten. Um diese wieder zu erreichen, muss es eine linke Sammlungsbewegung geben, die den Mut hat, sich mit den mächtigen Akteuren anzulegen. Die Grundlage einer solchen Bewegung ist die klassisch sozialdemokratische Tradition dass sich Politik um die materiellen Lebensbedingungen kümmert und dafür Sorge trägt, dass sie für alle Menschen gut und die Chancen gleich verteilt sind…“

(Aus: Nordwest Zeitung, Gastbeitrag von Sarah Wagenknecht und Bernd Stegemann, https://www.nwzonline.de/meinung/berlin-nwz-gastbeitrag-von-sahra-wagenknecht-und-bernd-stegemann-aufstehen-fuer-ein-gerechtes-land_a_50,2,719263146.html)

Das ist schwammig und damit tatsächlich „klassisch sozialdemokratisch“. Man „kümmert“ und „sorgt“ sich um die Menschen, statt sie zu selbstbewusstem, eigenständigen Kampf zu mobilisieren. Zudem stellt sich die Frage, wann und wo es diese „klassisch sozialdemokratische Tradition“ so real gegeben hat und was darunter von den Initiatoren dieser Bewegung verstanden wird. Sarah Wagenknecht hat dazu gesagt, sie wolle zu einer Friedens- und Sozialpolitik wie zu Zeiten Willy Brandts zurück. Das ist jedoch völlig ahistorisch. Denn diese Politik von Willy Brandt fand in einem bestimmten Rahmen statt. In der Konkurrenz mit den ehemals sozialistischen Staaten, die trotz bereits beginnender negativer Erscheinungen noch einige Errungenschaften des Sozialismus wie Arbeitsplätze für alle, kostenlose Bildung, billigsten Wohnraum, kostenlose Gesundheitsversorgung usw. erhalten hatten, war man gezwungen, das reale menschenfeindliche Antlitz des Kapitalismus mit einigen sozialen Zugeständnissen zu verbergen. Diese Aufgabe hat die Sozialdemokratie unter Willy Brandt gern übernommen. Diese sozialen Zugeständnisse wurden übrigens von derselben Sozialdemokratie unter SPD-Kanzler Schröder mit Hartz IV, Rentenreformen usw. wieder komplett zurückgenommen und zerstört.

Mit Willy Brandt als Vizekanzler wurden am 30.5.68 die Notstandsgesetze beschlossen. Mit Willy Brandt gab es 1972 den Radikalenerlass. Und die Friedenspolitik von Willy Brandt? Da man nur mit dem kalten Krieg die ehemals sozialistischen Staaten nicht brechen und unterwerfen konnte, änderte man die Taktik. Man ergänzte den fortbestehenden kalten Krieg durch Gesprächsangebote, wirtschaftliche Zusammenarbeit, Kredite und andere Mittel. Man erhoffte sich so, die negativen Erscheinungen fördern und stärken zu können, um so die DDR und andere Staaten von innen zersetzen zu können.

Schaut man auf die Internetseite der „Bewegung“, so findet man dort ebenfalls „klassisch sozialdemokratische“ Inhalte. Da klagt „Kurt, Pastor“ in einem toll gemachten Werbefilm, dass das Kreuz nicht „den Bayern“ und nicht in Schulen gehört und dass der Islam nicht das Hauptproblem sei. Er fordert aber gleichzeitig, dass „unsere Behörden“ das mit dem Islam „in den Griff bekommen müssen“ und wir darüber sprechen müssen, wie viele Flüchtlinge aufgenommen werden können. Über die vom deutschen Imperialismus geschaffenen Fluchtursachen findet Kurt kein Wort: Deutsche Waffenexporte, Ausplünderung der Rohstoffe abhängiger Länder, Ausbeutung, Unterstützung von willigen Diktatoren.

„Marie, Redakteurin“ meint: „Kein Kind sollte in Armut aufwachsen.“ Das stimmt und da kämpfen wir mit ihr gemeinsam! „Andi, Lehrer“ hält das Schulsystem für „veraltet“. Richtig! Auch wir sehen das so! „Susi, IG Bau“ klagt als Betriebsrätin über Niedriglöhne. befristete Arbeitsverträge und zunehmenden Arbeitsdruck. Richtig! Da stehen wir mit Ihr an derselben Seite im Kampf.

Doch das alles ist nicht neu. Da gibt es seit Jahrzehnten Bewegungen und Organisationen, die gegen Kinderarmut, für ein besseres Schulsystem, gegen Niedriglöhne, unsichere Arbeitsverhältnisse und immer stärkere Ausbeutung kämpfen. Und in diesen Bewegungen kämpfen wir, wo immer möglich, mit.

Merkwürdig stimmt nur, dass alle Spots auf der Homepage von #aufstehen höchst professionell gemacht sind. Das sind keine spontanen Selfies, sondern von einer Werbeagentur erstellte und fachmännisch geschnittene Werbeclips. Das soll eine „spontane Bewegung“ sein?

Was ist denn nun neu an „#aufstehen“?

Sarah Wagenknecht meint: „Die Grundlage einer solchen Bewegung ist die klassisch sozialdemokratische Tradition…“ Und sie hat sich ja ausdrücklich auf die Nachkriegs-SPD und Willy Brandt berufen. Die klassisch sozialdemokratische Tradition in diesem Sinn ist nun wirklich nicht neu. Das kennen wir seit über hundert Jahren.

Da hat die SPD gegen den Krieg geredet und dann für die Kriegskredite gestimmt und die Arbeiter zur „Vaterlandsverteidigung“ in den Krieg gehetzt. 18 Millionen Soldaten und Zivilisten wurden im 1. Weltkrieg ermordet!

Das kennen wir von 1918, als die Arbeiter und das Volk mit einer Revolution den Krieg beendeten und SPD-Führer Ebert auf einer geheimen Sitzung der Reichsregierung erklärte, er hasse die Revolution. Dementsprechend stützte er sich auf seinen sozialdemokratischen Kriegsminister, den Bluthund Noske, das alte kaiserliche Militär und reaktionäre Freikorps – und ließ Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht von diesen ermorden sowie die Revolution in Blut ersticken.

Das kennen wir nach dem Sieg über den Faschismus, als die SPD-Führung gegen eine Wiederbewaffnung redete, dann aber dem Aufbau der Bundeswehr zustimmte.

Oder die Notstandsgesetze oder Berufsverbote oder Rentenkürzungen als „Reform“ oder Hartz IV oder Auslandseinsätze der Bundeswehr oder Polizeigesetze oder Freihandelsabkommen… Um die gesamte „klassisch sozialdemokratische Tradition“ im Detail darzustellen, müsste man ein ganzes Buch von Verrat und Betrug schreiben. Nicht umsonst liegt die SPD derzeit bei Umfragen zwischen 17 und 18% mit dem Trend nach unten. Und nun soll „klassisch sozialdemokratische Tradition“ helfen, um die Linke wieder stark zu machen?

Schwammig

„#aufstehen“ ist bewusst schwammig. Auch das ist gute alte „klassisch sozialdemokratische Tradition“. Es gibt keine klare Kante, nichts worauf man sich festlegt oder von anderen festgelegt werden könnte. Statt dessen Wünsche und Hoffnungen – und es geht ein wenig nach rechts.

So formuliert Sarah Wagenknecht in dem oben zitierten Beitrag: „Die politisch sinnvolle Grenze verläuft nicht zwischen den Ressentiments der AfD und der allgemeinen Moral einer grenzenlosen Willkommenskultur. Eine realistische linke Politik lehnt beide Maximalforderungen gleichermaßen ab. Sie unterstützt die vielen freiwilligen Helfer in der Zivilgesellschaft, die sich um die Integration der Flüchtlinge kümmern. Und zugleich lässt sie sich nicht von kriminellen Schlepperbanden vorschreiben, welche Menschen auf illegalen Wegen nach Europa gelangen.“

Das hört sich „ausgewogen“ an, typisch sozialdemokratisch eben. Aber es leidet bereits an der verzerrten Wahrnehmung von rechts. Sarah Wagenknecht tut so, als ob es um eine „grenzenlose Willkommenskultur“ ginge, gegen die sie natürlich ist. Das ist eine Phantomdiskussion. Denn nur ein Bruchteil der Opfer der Politik Deutschlands gelangt auch nach Deutschland. Die Opfer deutscher Waffenlieferungen und aggressiver Wirtschaftspolitik landen als Flüchtlinge zu einem Riesenanteil in armen Nachbarländern, die diese aufnehmen und unterstützen. Bei ca. 4 Millionen Einwohnern, von denen bereits über eine halbe Million palästinensische Flüchtlingen sind, hat der Libanon fast 2 Millionen syrische Flüchtlingen aufgenommen. Und weltweit sind derzeit 69 Millionen Menschen vor Krieg, Hunger und Elend auf der Flucht. Erstaunlicherweise sieht sich Sarah Wagenknecht zwischen „den Ressentiments der AfD“ und „einer grenzenlosen Willkommenskultur“. Ist das wirklich der Widerspruch, um den es bei einer konsequenten linken Politik geht? Sollten wir da nicht lieber über Imperialismus reden? Oder darf man dieses „böse“ Wort nicht mehr in den Mund nehmen? Geht es nicht um Waffenexporte? Rüstungsgeschäfte mit Saudi-Arabien, der Türkei und ähnlichen Diktaturen? Geht es nicht darum, dass deutsche Konzerne aggressiv Märkte in Afrika erobern? Führt nicht die EU-Agrarpolitik mit dem Export von Schlachtabfällen und anderen oft auf Niedrigpreise herunter subventionierte n Agrarwaren zum Ruin von Bauern in Afrika und damit zu Hunger und Elend? Ganz zu schweigen davon, dass die EU dort auf freiem Handel und ungehinderten Investitionen für das europäische Kapital besteht.

Natürlich hat Sarah Wagenknecht in früheren Reden Waffenexporte usw. verurteilt. Das war gut und richtig. Aber in letzter Zeit hat sie diese richtige Position durch eine Phantomdiskussion über eine Position „zwischen den Ressentiments der AfD und der allgemeinen Moral einer grenzenlosen Willkommenskultur“ entwertet und unglaubwürdig gemacht. Und aktuell „vergisst“ sie diese richtige Kritik an Waffenexporten. Und das Wort Imperialismus haben wir bei ihr schon lange nicht mehr gehört.

Wir sind für die Bekämpfung der Fluchtursachen! Das bedeutet: Kampf gegen den eigenen Imperialismus und seine kriminellen Machenschaften – und zwar im Innern und im Ausland.

Brauchen wir mehr Sozialdemokratie oder klare linke Kante?

Die Antwort von „#aufstehen“ auf die Schwäche der linken, fortschrittlichen Bewegung besteht darin, sie weiter ins bürgerliche Spektrum zu öffnen, also nach rechts zu verschieben.

Ist das wirklich die Ursache für die Schwäche und beseitigt man sie damit?

Aus unserer Sicht nicht. Im Gegenteil! Die Linke ist schwach, weil sie anscheinend nur noch aus „Strömungen“ besteht, statt eine klare Linie und Organisation zu haben, die einen Weg aus dem Elend des Kapitalismus weist.

Genau darüber muss wieder offensiv geredet und aufgeklärt werden: Über Kapitalismus und Imperialismus! Daran mangelt es. Die linken, fortschrittlichen Kräfte befinden sich in der Defensive, weichen zurück, bekämpfen sich untereinander statt das Kapital. Leisetreterei und Opportunismus dominieren. Deshalb ist es falsch, alles noch weicher und formloser zu machen. Wie soll es denn in einem entfesselten Kapitalismus zu sicheren Renten, von denen man Leben kann, in einem entfesselten Kapitalismus kommen? Wie zu besserer Bildung? Wie zu würdevoller Arbeit, die zum Leben reicht? Wie zu menschenwürdiger Pflege? Bei verschärfter Konkurrenz der großen imperialistischen Mächte verbunden mit extremer Aufrüstung, Abbau sozialer Rechte, Schaffung eines Polizeistaates im Innern soll uns „#aufstehen“ bitte erklären, wo der Spielraum für echte Reformen zugunsten der Arbeiterklasse und des Volkes herkommen soll.

Natürlich müssen wir für Verbesserungen kämpfen und Druck machen! Aber müssen wir deshalb Illusionen in eine Reform des Kapitalismus schüren? Nein! Wir müssen die Ursachen der zunehmenden Probleme aufzeigen und zum Kampf gegen diese Ursachen mobilisieren. Es ist selbstverständlich, dass wir in diesem Zusammenhang auch für sofortige Verbesserungen, für Reformen eintreten, aber ohne Illusionen zu schüren!

Auf keinen Fall dürfen sich linke, fortschrittliche Kräfte dem allgemeinen von der herrschenden Klasse gern gesehenen Trend in dieser Gesellschaft anpassen: Weiter nach rechts zu rücken, immer unklarer und schwammiger zu werden. Eine solche konturlose, kraftlose Linke brauchen die Arbeiterklasse und das Volk nicht. Davon gibt es in Form der Linkspartei, der SPD schon genügend Vertreter.

Populismus

Nicht umsonst beruft sich „#aufstehen“ auf Bewegungen wie Podemos in Spanien unter Pablo Iglesias Turrión und „La France insoumise“ („Unbeugsames Frankreich“) von Jean Luc Melenchon in Frankreich. Auf Syriza beruft man sich lieber nicht mehr, obwohl viele der Beteiligten früher davon geschwärmt haben. Syriza zeigt, was mit populistischen Bewegungen im Kapitalismus geschieht, egal ob sie wollen oder nicht. Syriza hat ja durchaus eine Zeit lang Widerstand geleistet und sich gewehrt. Aber die Realität des Kapitalismus und Imperialismus zwang sie zur Unterordnung unter das Diktat der Banken. Das Beispiel von Syriza zeigt die Grenzen des Reformismus unter den aktuellen Bedingungen des imperialistischen Systems deutlich auf.

Darum beruft man sich lieber auf noch „unverbrauchte“ Bewegungen, die noch nicht in der Regierung waren und daher noch nicht zurecht gestutzt wurden. Denn in Worten kann man viel fordern und verlangen. In Worten kann man sich kämpferisch geben. Aber auch Podemos und „La France insoumise“ werden wie Syriza enden, sollte das Kapital sie jemals in einer Regierung benötigen, um die Wut der Arbeiterklasse und des Volkes zu kanalisieren.

Im Übrigen hat ja auch die Linkspartei Erfahrungen mit ihren Regierungsbeteiligungen. In Berlin hat sie in Koalition mit der SPD die hochverschuldete Berliner Landesbank gerettet und dafür massiv im Kultur- und Bildungsbereich gespart, Menschen entlassen. Im öffentlichen Dienst Berlins herrschen teilweise unerträgliche Bedingungen für die dort arbeitenden Kolleg/innen.

Banken haben eben im Kapitalismus Vorrang, egal wer an der Regierung ist. In Mecklenburg-Vorpommern hat die Linkspartei in der Koalition mit der SPD die übliche Sparpolitik durchgeführt. Und derzeit in Thüringen als stärkste Kraft in Koalition mit der SPD ist Thüringen aufgrund der liberalen Politik zu einem Zentrum von Rechtsradikalen und Faschisten geworden, die dort im monatlichen bis wöchentlichen Takt Großveranstaltungen durchführen. 2017 waren es 59 Konzerte, also durchschnittlich 5 pro Monat (siehe: https://www.mdr.de/thueringen/mehr-rechtsrock-konzerte-in-thueringen-100.html)

Wo immer linke Reformisten an der Macht oder daran beteiligt sind, müssen sie sich den Interessen des Kapitals unterordnen.

Wie bei allen populistischen Strömungen kritisiert #aufstehen die unbeweglichen, bürokratischen und undemokratischen Parteien. An ihre Stelle sollen Bewegungen treten, die in der Regel von mehr oder weniger charismatischen Führern oder Führerinnen geleitet werden. Doch was ist daran „demokratischer“, wenn Führer/innen noch nicht einmal mehr an Entscheidungen ihrer Partei gebunden sind, nicht mehr gezwungen sind, Mitglieder zu überzeugen? Es befreien sich große Führer/innen von den Zwängen ihrer Partei. Aber das befreit nicht die Arbeiterklasse und das Volk von den Zwängen des Kapitalismus. So „befreit“ können sich die Führer/innen drehen und wenden, wie es ihnen gerade opportun erscheint. Ein lebendiges Beispiel dafür ist die politische Karriere von Tsipras, dem Führer von Syriza in Griechenland.

Ein weiteres Kennzeichen dieser populistischen Bewegungen ist auch die mehr oder weniger offene Negierung der Arbeiterklasse als wichtigster Klasse im Kapitalismus. Da gibt es Arme oder Unterschichten. Da wird über Ungerechtigkeiten geklagt. Da will man den Armen und Unterschichtlern „helfen“. Aber man spricht nicht über Klassenkampf und will diesen schon gar nicht organisieren. Arbeiterklasse? Fehlanzeige. Die ist für die Reformisten anscheinend völlig verschwunden. Doch ohne die Arbeiterklasse könnte sie ihre tollen Kongresse nicht in großen Hallen abhalten, denn da schuften viele Menschen, um solche Hallen zu bauen, instand zu halten, den gesamten Ablauf zu sichern und hinterher aufzuräumen und zu putzen. Auch ihre Reden und Aufsätze würden nicht erscheinen ohne die Arbeiterklasse. Dann gäbe es niemanden, der ihre wichtigen Bücher, Flugblätter und Wahlreklame druckt.

Solchen Bewegungen geht es also nicht darum, die arbeitenden Menschen zu einer selbstbewusst handelnden Klasse heranzubilden, die sich ihrer Stärke bewusst ist. Sie brauchen Objekte, keine Subjekte. Sie brauchen Objekte, denen sie „helfen“ können.

Alter Wein in neuen Schläuchen

Schon Lenin und die russischen Revolutionäre mussten sich vor über 120 Jahren mit einer populistischen Bewegung herumschlagen, den Volkstümlern. Die Volkstümler hatten ihre Basis bei Intellektuellen, die dem Volk helfen wollten. Sie wollten einen „Sozialismus“ durch Reformen und Ausnutzung der Besonderheiten bei den Bauern ohne Revolution erreichen. Die Arbeiterklasse beachteten sie kaum. Die Ähnlichkeit mit den heutigen populistischen Bewegungen ist frappierend.

Lenin schreibt in „Der ökonomische Inhalt der Volkstümlerrichtung“ (Werke Bd.1, S.347): Hier zeigt sich „anschaulich, worin das Wesen der Volkstümlerrichtung besteht, nämlich im Protest gegen die Leibeigenschaft (die altadligen Schichten) und gegen das Bürgerliche (die neubürgerlichen Schichten) in Russland vom Standpunkt des Bauern, des Kleinproduzenten…“

Und er erklärt den Kern der Volkstümler (ebenda, S.371):

Es gibt nur eine Antwort: Weil Sie ein Ideologe des Kleinbürgertums sind, weil Ihre Ideen, d.h. die Ideen der Volkstümler überhaupt, und nicht die Ideen eines Hinz und Kunz, das Resultat der Widerspiegelung der Interessen und des Standpunktes des Kleinproduzenten sind und durchaus nicht das Resultat „reinen“ Denkens.“

Zwar vertreten die heutigen populistischen Bewegungen kaum noch die Bauernschaft. Aber sie vertreten die kleinbürgerlichen Mittelschichten, vor allem Intellektuelle, die die Gefahren des Kapitalismus und Imperialismus durchaus sehen und begreifen, aber aus ihrer Lebenssituation heraus eine revolutionäre Veränderung scheuen. Für sie ist ein linker Reformismus ideal: Können sie sich doch gegen die Auswirkungen des Kapitalismus wenden und ihn scharf kritisieren, ohne ihn wirklich anzutasten. Man ist antikapitalistisch, aber vermeidet jede grundlegende Veränderung, das Revolutionäre.

Wie stehen wir zu „#aufstehen“

Wo immer diese neue Bewegung ernsthaft gegen Billiglöhne, unsichere Arbeitsverhältnisse, Sozialabbau, Wohnungsnot, für menschenwürdige Renten, bessere Pflege und Gesundheitsversorgung sowie gegen Aufrüstung und Krieg kämpft, werden wir ohne jede Berührungsängste zusammen kämpfen. Das ist für uns selbstverständlich. Das machen wir bei jeder Bewegung so. Alles andere wäre linksradikal.

Aber wir raten jedem ab, sich bei „#aufstehen“ zu engagieren. Die Enttäuschung ist vorprogrammiert! Wer in diesem Land wirklich etwas verändern will, der muss für Klarheit über den Kapitalismus und Imperialismus sorgen. Der muss die Arbeiterbewegung stärken, ihr Selbstbewusstsein entwickeln und fördern. Die Arbeiter/innen müssen wieder spüren und lernen, dass ohne sie nichts geht, dass sie die Schöpfer der meisten Werte in dieser Gesellschaft sind, dass sie eine Macht sind, wenn sie einig sind.. Klassenbewusstsein!

Statt nach rechts zu gehen, sich dem ideologischen Druck der herrschenden Klasse anzupassen, brauchen wir eine starke, einheitliche und in der Arbeiterklasse verankerte Kommunistische Partei, die eine klare Linie hat und den Weg zur Abschaffung des Kapitalismus zeigt. Eine solche Klärung wäre ein ungeheurer Fortschritt und würde die Kräfte der Arbeiterbewegung und der Revolutionäre in diesem Land vervielfachen. Das würde zugleich alle linken und fortschrittlichen Kräfte stärken und ermutigen.

Nicht mehr Schwammigkeit sondern mehr Klarheit brauchen wir. Wer also ernsthaft etwas ändern will, der sollte an diesem Klärungsprozess und am Aufbau einer dringend benötigten Kommunistischen Arbeiterpartei mitwirken!

Anmerkung:

Bereits 2011 haben wir die Positionen Sarah Wagenknechts für einen „Sozialismus mit sozialer Marktwirtschaft“ kritisiert. Dieser Artikel ist eine gute Ergänzung zu dieser Stellungnahme:

https://www.arbeit-zukunft.de/2011/07/24/buchbesprechung-sahra-wagenknecht-freiheit-statt-kapitalismus/

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